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Unser Namensgeber: Paul Gerhardt

Paul Gerhardt, 1607 in Gräfenhainichen, einer Kleinstadt nahe Wittenberg geboren und 1676 in Lübben (Spreewald) gestorben, war ein evangelisch-lutherischer Theologe und Lehrer, der neben Martin Luther als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Kirchenlieddichter gilt.

Soll das alles bleiben, was die Schüler, Eltern und Lehrer unserer Schule über unseren Namensgeber interessiert? Wir glauben, dass es sich lohnt, das Leben Paul Gerhardts näher zu betrachten. Wir möchten Euch und Sie einladen auf eine kleine Zeitreise, um den Dichter, der dem Leid und der Sehnsucht seiner Zeitgenossen in einer Weise Ausdruck gegeben hat, die sein Werk bis heute lebendig hält, näher kennen zu lernen.

Deutschland vor 350 Jahren: Der Dreißigjährige Krieg ist gerade erst zu Ende. Das Land liegt in Trümmern, ganze Landstriche sind entvölkert und verwüstet. Die Überlebenden werden von Hunger und Not geplagt. Epidemien und Seuchen raffen weiterhin Tausende Menschen hin. Marodierende Banden ziehen umher und verbreiten Angst und Schrecken. Versprengte Reste jener Söldnerheere, die Mitteleuropa in ein riesiges Schlachtfeld verwandelt hatten.
Da erscheint im Jahre 1653 ein Gedicht des Pfarrers Paul Gerhardt aus Mittenwalde bei Berlin: Geh aus, mein Herz, / und suche Freud / In dieser lieben Sommerzeit / An deines Gottes Gaben; / Schau an der schönen Gärten Zier / Und siehe, wie sie mir und dir / Sich ausgeschmücket haben.

Zeilen eines weltfremden Traumtänzers oder blanker Zynismus? Schöpferlob in Zeiten der Apokalypse nach dem Motto „Hurra, wir leben noch“? Oder tatsächlich Trost für geschundene Seelen, Trotz gegen jede Resignation? Die Hoffnung, dass doch noch alles gut wird? Ach, denk ich, bist du hier so schön / Und lässt du uns so lieblich gehn / Auf dieser armen Erden, / Was will doch wohl nach dieser Welt / Dort in dem reichen Himmelszelt / Und güldnen Schlosse werden!

Der Glauben, in dem Paul Gerhardt in schwerster Zeit gegen die Depression anschreibt, um Hoffnung und Mut zu geben, ist der Glauben an einen Gott, der den Menschen zwar kein irdisches Leid erspart, sie aber letztlich erlöst.

Jugend und Ausbildung – Wittenberg und Berlin I

Paul Gerhardt wurde als zweites von vier Kindern am 12. März 1607 geboren. Seine Vaterstadt, seinerzeit noch Henichen genannt, hatte um diese Zeit ungefähr 1000 Einwohner. Sein Vater ernährte die Familie durch die Bewirtschaftung eigenen Gartenlands; er engagierte sich zudem im Rat der Stadt und wurde zu einem der drei Bürgermeister gewählt. Paul besuchte die Stadtschule, in der er sich Grundkenntnisse in der lateinischen Sprache und im Chorgesang erwarb. Wie viele andere Familien hatten auch die Gerhardts unter den Folgen des Dreißigjährigen Krieges – Hungersnot, Seuchen und den Übergriffen der Soldaten – zu leiden; 1619 starb sein Vater, 1621 die Mutter.

Immerhin reichte das elterliche Vermögen, um ihm den Besuch der angesehenen Fürstenschule in Grimma zu ermöglichen. In einem straff organisierten Tagesablauf wurde den Schülern vor allem Wissen in der Religion und den alten Sprachen beigebracht. Paul zeichnete sich durch Fleiß und Gehorsam aus; man bescheinigte ihm das Talent, sich den geforderten Aufgaben zu stellen. Drei Tage nach seiner erfolgreichen Prüfung verließ er am 15. Dezember 1627 die Fürstenschule mit den nötigen Voraussetzungen für das Studium an einer Universität.

Paul Gerhardt entschied sich für ein Studium der Theologie an der lutherischen Universität Wittenberg. Hier hatten viele Menschen vor den Folgen des Krieges Zuflucht gesucht, im Jahr 1636/37 grassierte die Pest. Paul Gerhardts nahe gelegene Heimatstadt wurde am 11. April 1637 von schwedischen Soldaten vollständig zerstört. Am 7. November 1637 starb Gerhardts Bruder Christian.

All diese Erfahrungen in Wittenberg wirkten auf Paul Gerhardt prägend. Er wollte Pastor werden, doch schon hier kam sein dichterisches Talent zur Geltung. Am 26. April 1642 verfasste er sein erstes Gelegenheitsgedicht.

Um 1643 ging Gerhardt nach Berlin. Die Stadt war durch den Dreißigjährigen Krieg stark in Mitleidenschaft gezogen; Pest, Pocken und die Bakterienruhr reduzierten die Bevölkerungszahl von 12.000 vor dem Krieg auf 5.000 Einwohner bei Kriegsende.

Gerhardt verfasste unter den Eindrücken der Kriegsereignisse und ihrer Folgen weitere Liedtexte und entwickelte sich dabei auch theologisch. Er beschränkte sich nicht nur auf die Reflexion seiner Eindrücke, sondern wollte den Menschen mit seinen Liedern neuen Mut und Hoffnung geben.

Seinen seelsorgerisch geistlichen Beitrag leistete Gerhardt vor allem an der Berliner Nikolaikirche, wo er 1657–1667 als Pfarrer tätig war. Johann Crüger, der führende Kirchenmusiker der Stadt, lernte hier seine Verse kennen. Crüger war begeistert und veröffentlichte bis 1661 fast 100 von Gerhardts Liedern, die rasch über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt wurden.

Mittenwalde

Die Zusammenarbeit riss auch nicht ab, als Gerhardt 1651 eine Pfarrstelle in Mittenwalde übernahm, eine Tagesreise südlich von Berlin. Von nun an gehörte es zu seinen Aufgaben, der Gemeinde beim Gottesdienst die Predigt zu halten und das Abendmahl zu reichen. Auch führte er die Amtshandlungen zu Taufen, Trauungen, Beichten und Begräbnissen durch. Wie in seinen Liedern verdeutlichte Gerhardt die theologischen Inhalte und Einzelheiten in seinen Predigten durch greifbare und eingängige Beispiele. Die Beziehungen zur Berliner Gemeinde erhielt Gerhardt aufrecht.

Neben seiner pfarramtlichen Tätigkeit pflegte er auch in Mittenwalde die Liedkunst. Hier entstand „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“, sein bis heute bekanntestes und volkstümlichstes Lied. 1653 erschien die fünfte Auflage von Crügers Gesangbuch, in dem sich 64 neue Lieder von Gerhardt befanden. Während dieser Zeit verfasste er unter anderem das Passionslied „O Haupt voll Blut und Wunden“, das in der 6. Auflage von Crügers Gesangbuch 1656 erschien und heute zum Weltkulturerbe gerechnet wird.

Vor allem aber ist Gerhardt dafür bekannt, wie er persönliches Leid thematisiert und verarbeitet.

Spät, mit 48 Jahren, hatte er geheiratet. Seine Ehefrau Anna brachte fünf Kinder zur Welt. Nur ein Sohn blieb am Leben, die anderen starben alle sehr früh. In Gerhardts Schaffen finden sich ergreifende „Kindertotenlieder“.

Berlin II

1657 wurde Paul Gerhardt leitender Pfarrer an der Berliner Hauptkirche St. Nikolai. Der Karrieresprung führte ihn ins Zentrum politisch-religiöser Auseinandersetzungen. Die meisten Preußen waren lutherisch, der Kurfürst und seine Familie hingegen reformiert – komplizierte Erbfolgeregelungen erforderten die höfische Sonderkonfession, die überdies als fortschrittlich galt. In den Kolonien Nordamerikas experimentierten Calvinisten bereits mit demokratisch verfassten Gemeinwesen. Zudem galten sie als tolerant und ausgleichend: wichtige Tugenden für Menschen, denen das Grauen des dreißigjährigen Glaubenskrieges noch vor Augen stand.

Toleranz unter Protestanten wollte der große Kurfürst nun auch in Preußen mit einem Edikt erzwingen. Calvinisten und Lutheraner sollten untereinander Religionsfrieden wahren. Schmähreden auf Kanzeln wurden verboten, Pfarrer, die das Edikt nicht unterzeichneten, sollten entlassen werden. Die meisten Pfarrer unterzeichneten, einige – auch Gerhardt – blieben hart. Zur Toleranz sagten sie ja, zur Preisgabe der eigenen Identität nein. Es ging um die Freiheit der Predigt, zu der die kämpferische Auseinandersetzung mit anderen Lehren gehörte. Paul Gerhardt verlor sein Amt an der Nikolaikirche.

Die Berliner Bürger waren mit der Amtsenthebung Gerhardts nicht einverstanden und forderten in einer Vielzahl von Eingaben seine Wiedereinsetzung. Der Berliner Magistrat wandte sich daher an den Kurfürsten, der dieses Ansinnen zunächst ablehnte. Da sich Gerhardt mit seinen geistlichen Liedern auch außerhalb Berlins Ansehen erworben hatte, intervenierten auch die märkischen Landstände gegen Gerhardts Entlassung. Der Kurfürst setzte Gerhardt am 12. Januar 1667 wieder in sein Amt ein. Der jedoch verzichtete aus Glaubens- und Gewissensgründen. Daraufhin verfügte der Kurfürst am 4. Februar 1667 die endgültige Entlassung Gerhardts, der nun ohne Einkommen war.

Kurz darauf traf ihn ein weiterer Schicksalsschlag: Seine Ehefrau Anna starb nach 13 Jahren Ehe, sie wurde nur 45 Jahre alt.

Lübben

Im September 1668 war der Pfarrer von Lübben gestorben. Der Rat suchte daraufhin eine geeignete Person zur Neubesetzung der Stelle. Man entschloss sich, Paul Gerhardt zu einer Gastpredigt einzuladen. Der folgte dem Ruf nach Lübben und hielt dort am 14. Oktober 1668 seine Gastpredigt. Daraufhin wurde er am 29. Oktober 1668 durch den Bürgermeister und den Rat in das Amt des Archidiakons an der damaligen Nikolaikirche berufen. Das Städtchen im Spreewald gehörte damals zum Territorium des streng lutherischen Herzogs Christian I. von Sachsen-Merseburg. Hier galt das Edikt des Kurfürsten nicht.

Gerhardts Amtsantritt verzögerte sich, weil sein Sohn erkrankte und zudem die angebotene Unterkunft viel zu klein für den Hausstand war. Daher wurde durch den Rat zunächst die Wohnung ausgebaut und Gerhardt zog erst im Juni 1669 nach Lübben, wo er am 16. Juni feierlich in sein Amt eingeführt wurde.

Hier verbrachte er seine letzten Lebensjahre in bescheidenen Verhältnissen. Dennoch hat er stets seine geistlich-seelsorgische Arbeit erledigt und die organisatorischen Kirchenangelegenheiten geklärt.

Als Dichter war der alternde Paul Gerhardt in Lübben nicht mehr produktiv. Mit mehr als 120 geistlichen Liedern, allesamt vertont und herausgegeben von Kantor Crüger und dessen Berliner Nachfolger Johann Ebeling, war Gerhardts Werk vollendet. In Lübben aber blieb er als Pfarrer und Seelsorger beliebt. Am 27. Mai 1676 starb Paul Gerhardt, fast siebzig Jahre alt. Er wurde im Chorraum nahe dem Altar seiner letzten Wirkungsstätte beigesetzt, die seit 1930 seinen Namen trägt.

Wirkung

Paul Gerhardts früheste Lebensjahre lagen im Schatten einer der furchtbarsten innerdeutschen Katastrophen. Er erlebte die Pest und das Leid der Menschen durch den Krieg hautnah mit. Diese Erfahrungen prägten Gerhardt, der ein friedfertiger Mensch war. Das spiegelt sich auch in seinen Gedichten wider, die in ihrer Schlichtheit, Gefühlswärme und Singbarkeit zu Volksliedern geworden sind. Gerhardts Lyrik, die sich einer ebenso bildhaften wie anschaulichen Sprache bedient, behandelt die christliche Kirche, die Tages- und Jahreszeiten, das Ehe- und Familienleben. Bei allen Schicksalsschlägen predigt Gerhardt Zufriedenheit, Geduld und Gottvertrauen. Auch die Kriegsnot und die Sehnsucht nach Frieden spiegeln sich in Gerhardts Lyrik wider, die den Leser zu einem Gespräch mit Gott führen und im Menschen Vertrauen in eine kirchliche und persönliche Frömmigkeit wecken will.

Geografisch ist Gerhardt über einen kleinen Radius nicht hinausgekommen. „Seine Orte“ Gräfenhainichen, Grimma, Wittenberg, Berlin, Mittenwalde und Lübben liegen im heutigen Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg verhältnismäßig nah beieinander.

Die Dichtungen jedoch haben nicht nur die Zeiten überdauert, sondern sind grenzübergreifend zwischen konfessionellen und sprachlichen Schranken geworden. So wurden sie in die holländische, französische, englische, spanische, aber auch in afrikanische, asiatische und in andere Sprachen übersetzt. Sie fanden Eingang in viele, auch katholische Gesangbücher, und auch in der reformierten Kirche werden sie gesungen. Die ständige Auseinandersetzung mit seinen Texten macht ihn gegenwärtig bis in unsere Zeit hinein.

Für die Bereitstellung der Bilder und einzelner Textpassagen bedanken wir uns ganz herzlich bei Herrn Reinhard Mawick (www.paul-gerhardt-jahr.de). Als weitere Quelle haben wir Angaben von Wikipedia genutzt.